Ein Oberschenkelhalsbruch zählt zu den häufigsten und schwerwiegendsten Verletzungen bei älteren Menschen. Er kann nicht nur zu langwierigen Spitalaufenthalten führen, sondern auch die Selbstständigkeit gefährden.
Der Oberschenkelhalsbruch, auch Schenkelhalsfraktur genannt, ist eine typische und häufige Verletzung bei älteren Menschen nach einem Sturz. Besonders gefürchtet ist er, weil er oft zu längeren Spitalaufenthalten führt, eine lange Genesungszeit nach sich zieht und im schlimmsten Fall sogar ein Verlust der Selbstständigkeit oder lebensbedrohliche Komplikationen zur Folge haben kann.
Was ist ein Oberschenkelhalsbruch?
Ein Oberschenkelhalsbruch betrifft den oberen Teil des Oberschenkelknochens, genauer gesagt die Stelle, an der der Oberschenkelkopf (der Teil des Knochens, der das Hüftgelenk bildet) mit dem langen Knochenschaft verbunden ist. Diese Verbindung nennt man den «Schenkelhals». Durch die Position und Funktion dieses Knochens – er trägt einen Grossteil des Körpergewichts und ist an der Bewegung beteiligt – ist der Schenkelhals einer der empfindlichsten und bruchgefährdetsten Teile des Oberschenkelknochens.
Warum sind besonders ältere Menschen betroffen?
Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für einen Oberschenkelhalsbruch deutlich an. Der Grund dafür liegt in der allgemeinen Abnahme der Knochendichte, Osteoporose genannt, die vor allem Frauen nach den Wechseljahren betrifft.
Bei Menschen mit Osteoporose verlieren die Knochen an Stabilität und werden brüchig, sodass selbst ein kleiner Sturz, wie etwa das Stolpern über einen Teppichrand, ausreichen kann, um den Oberschenkelhals zu brechen. Auch die abnehmende Muskelkraft, eine schlechtere Koordination, nachlassendes Sehvermögen und Erkrankungen wie Parkinson oder Herz-Kreislauf-Probleme tragen dazu bei, dass ältere Menschen sturzgefährdeter sind. Medikamente, die den Blutdruck senken oder beruhigend wirken, können die Sturzgefahr zusätzlich erhöhen.
Symptome eines Oberschenkelhalsbruchs
Ein Oberschenkelhalsbruch äussert sich meist durch starke Schmerzen im Bereich der Hüfte oder des Oberschenkels. Die betroffene Person kann das Bein oft nicht mehr belasten oder bewegen. Typischerweise zeigt das verletzte Bein eine Fehlstellung, bei der der Fuss nach aussen gedreht ist und das Bein verkürzt erscheint. In vielen Fällen kann man schon auf den ersten Blick vermuten, dass ein Bruch vorliegt.
In weniger eindeutigen Fällen wie zum Beispiel bei «eingestauchten Brüchen», bei denen die Knochenfragmente noch teilweise ineinandergeschoben sind, können die Symptome weniger dramatisch erscheinen. Hier verspüren Betroffene oft nur leichte Schmerzen in der Hüfte oder im Oberschenkel und können das Bein möglicherweise noch teilweise belasten. Ein solcher Bruch wird oft erst durch bildgebende Verfahren wie Röntgen erkannt.
Diagnose eines Oberschenkelhalsbruchs
Sobald der Verdacht auf einen Oberschenkelhalsbruch besteht, sollte der oder die Betroffene möglichst nicht bewegt werden, da dies den Bruch verschlimmern kann. Der Arzt oder Notarzt führt dann in der Regel eine klinische Untersuchung durch und veranlasst sofort eine Röntgenaufnahme der Hüfte und des Oberschenkels, um den Bruch genau zu lokalisieren und zu klassifizieren. In einigen Fällen, insbesondere bei weniger offensichtlichen Brüchen oder unklaren Röntgenbefunden, kann ein MRT (Magnetresonanztomographie) oder eine CT (Computertomographie) notwendig sein, um die Schwere des Bruchs und mögliche Begleitverletzungen zu beurteilen.
Klassifikation der Oberschenkelhalsfraktur
Dislozierte Frakturen: Hier sind die Knochenfragmente verschoben und sitzen nicht mehr richtig aufeinander. Diese Art von Fraktur erfordert meist eine Operation, da eine natürliche Heilung ohne chirurgische Intervention unwahrscheinlich ist.
Nicht-dislozierte Frakturen: Bei diesen Brüchen liegen die Knochenfragmente noch weitgehend an ihrer ursprünglichen Position, was eine stabilere Situation darstellt. Dennoch wird auch hier oft operiert, um eine vollständige Heilung und eine rasche Mobilisation zu ermöglichen. Zudem gibt es unterschiedliche Klassifikationssysteme, die den Bruch nach seiner Lage im Schenkelhals unterteilen. Eine gängige Einteilung erfolgt aufgrund des Bruchwinkels zur horizontalen Achse oder aufgrund des Grades der Dislokation.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung eines Oberschenkelhalsbruchs hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter das Alter des Patienten, die allgemeine Gesundheit, der Typ des Bruchs und die Knochendichte. In der Regel stehen folgende Behandlungsoptionen zur Verfügung:
1. Operative Therapie: Die meisten Oberschenkelhalsbrüche werden operativ behandelt, da dies die schnellste und sicherste Methode ist, um die Mobilität des Patienten wiederherzustellen und Komplikationen zu vermeiden. Es gibt verschiedene operative Verfahren, die je nach Art des Bruchs angewendet werden:
- Schrauben- und Plattenosteosynthese: Bei nicht-dislozierten Brüchen oder jungen Patient:innen können Schrauben oder Platten eingesetzt werden, um die Knochenfragmente zu fixieren und den Bruch zu stabilisieren.
- Hüftgelenksersatz (Endoprothese): Bei älteren Patient:innen oder stark dislozierten Brüchen wird oft eine Teil- oder Totalendoprothese eingesetzt. Dabei wird entweder nur der Hüftkopf ersetzt (Hemiendoprothese) oder das gesamte Hüftgelenk (Totalendoprothese). Diese Methode ermöglicht eine schnelle Mobilisation und minimiert das Risiko von Komplikationen wie einer Femurkopfnekrose, bei der der Knochen aufgrund schlechter Durchblutung abstirbt.
- Dynamische Hüftschraube (DHS): Diese Methode wird bei stabilen Frakturen angewendet, bei denen der Knochen gut verheilen kann. Eine spezielle Schraube fixiert den Hüftkopf, während eine Gleitvorrichtung eine gewisse Bewegung zulässt, um den Heilungsprozess zu unterstützen.
- Pertrochantärer Femurnagel: Bei einem Bruch am oberen Ende des Oberschenkels – beim Knochenvorsprung, dem sogenannten «Trochanter-Bereich» – wird ein Petrochantärer Femurnagel in den Oberschenkelknochen eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein zweiteiliges Implantat, welches anatomisch vorgeformt ist und somit die exakt gleiche Verlaufslinie hat, wie der Oberschenkelhalsknochen. Das Implantat bietet dadurch eine hohe Stabilität und wird deswegen gerade bei gravierenden Oberschenkelhalsbrüchen angewandt.
Komplikationen und Risiken
Ein Oberschenkelhalsbruch birgt zahlreiche Risiken, vor allem wenn er nicht schnell und angemessen behandelt wird. Zu den häufigsten Komplikationen zählen:
- Thrombosen und Embolien: Bettlägerige Patienten sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, dass sich Blutgerinnsel in den tiefen Beinvenen bilden, die potenziell gefährlich werden können, wenn sie sich lösen und in die Lunge wandern, da dies zu einer Lungenembolie führen kann.
- Lungenentzündung: Eine längere Bettlägerigkeit kann dazu führen, dass sich Flüssigkeit in der Lunge ansammelt und eine Infektion begünstigt.
- Wundliegen: Patienten, die lange Zeit im Bett liegen, ohne sich ausreichend zu bewegen, laufen Gefahr, Druckgeschwüre zu entwickeln. Man spricht auch von Dekubitus.
- Verzögerte Heilung oder Pseudoarthrose: In einigen Fällen kann es vorkommen, dass der Bruch nicht richtig verheilt, insbesondere bei schlechter Durchblutung oder Osteoporose. Dies kann eine weitere Operation erforderlich machen.
- Hüftkopfnekrose: Die Hüftnekrose ist eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation, bei der der Hüftkopf aufgrund von Durchblutungsstörungen abstirbt. Diese Komplikation tritt besonders häufig bei nicht-operierten oder konservativ behandelten Brüchen auf.
Rehabilitation nach einem Oberschenkelhalsbruch
Die Rehabilitation beginnt in der Regel schon einen Tag nach der Operation. Ein schneller Beginn der Mobilisation ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden und die Funktion des Beins wiederherzustellen. Physiotherapeut:innen arbeiten eng mit den Patienten zusammen, um die Muskulatur zu stärken, die Beweglichkeit der Gelenke zu verbessern und das Gleichgewicht zu schulen.
In vielen Fällen folgt auf den Spitalaufenthalt eine stationäre Rehabilitationsmassnahme, bei der Patient:innen gezielt auf den Alltag vorbereitet werden. Auch die Anpassung von Hilfsmitteln wie Gehstöcken oder Rollatoren sowie die Beratung zu sicherem Wohnen im Alter sind Teil der Reha.
Vorbeugung: Wie kann man Stürze vermeiden?
Stürze sind der Hauptauslöser für Oberschenkelhalsbrüche, und die Vorbeugung von Stürzen ist daher der wichtigste Schritt, um das Risiko zu minimieren. Zu den wichtigsten präventiven Massnahmen gehören:
- Knochengesundheit fördern: Eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D sowie eine frühzeitige Behandlung von Osteoporose können die Knochen stärken. Es gibt auch Medikamente, die den Knochenabbau verlangsamen und das Risiko von Brüchen reduzieren.
- Sturzrisiken minimieren: Im Haushalt sollten Gefahrenquellen wie lose Teppiche, schlecht beleuchtete Treppen oder rutschige Böden beseitigt werden. Haltegriffe im Bad und stabile Möbel können das Sturzrisiko senken.
- Bewegung und Sturzprophylaxe: Regelmässige körperliche Aktivität, insbesondere Kraft- und Gleichgewichtstraining, hilft, die Muskulatur zu stärken und das Gleichgewicht zu verbessern. Spezielle Kurse zur Sturzprävention können ebenfalls hilfreich sein.
- Medikamente überprüfen: Manche Medikamente, die Schwindel oder Müdigkeit verursachen, können das Sturzrisiko erhöhen. Eine regelmässige Überprüfung der Medikation durch den Arzt ist daher wichtig.
Bei einem Oberschenkelhalsbruch sind eine schnelle medizinische Versorgung und eine gut geplante Rehabilitation entscheidend, um die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen wiederherzustellen. Am wichtigsten bleibt jedoch die Prävention: Durch gesunde Lebensgewohnheiten, gezielte Massnahmen zur Sturzvermeidung und eine rechtzeitige Behandlung von Osteoporose lässt sich das Risiko eines Oberschenkelhalsbruchs erheblich reduzieren.
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