Altersbilder in der Schweiz: Wie gehen wir mit dem Altern um?

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Wie nehmen die Menschen in der deutschsprachigen Schweiz das Älterwerden wahr? Welche positiven und negativen Aspekte verbinden sie mit dem Alter? In diesem Artikel erfahren Sie, wie die verschiedenen Generationen über das Altsein denken, und was diese Erkenntnisse für die zukünftige Rolle der Älteren in unserer Gesellschaft bedeuten.

Wie gehen wir eigentlich mit dem Altern um? Diese Frage ist zentral für eine Gesellschaft, die immer älter wird. Das Berner Generationenhaus wollte es genau wissen und hat 2019 gemeinsam mit der Forschungsstelle sotomo eine Studie unter dem Motto «forever young. Willkommen im langen Leben» durchgeführt. Fast 9000 Erwachsene aus der Deutschschweiz wurden befragt, um ein umfassendes Bild über die Einstellungen und Vorstellungen zum Älterwerden zu erhalten. Die Ergebnisse sind nicht nur interessant, sondern auch überraschend positiv.

Vielfältige Altersbilder: Das denken die Schweizer:innen

In der deutschsprachigen Schweiz existieren vielfältige Altersbilder, die stark von individuellen Erfahrungen, gesellschaftlichen Erwartungen und kulturellen Normen geprägt sind.

Die Studie bietet ein facettenreiches Bild darüber, wie Menschen das Älterwerden wahrnehmen und sich auf den letzten Lebensabschnitt vorbereiten. Wir stellen in aller Kürze ein paar der Ergebnisse vor:

Alt ist, wer sich alt fühlt

Ein zentrales Thema ist die Assoziation des Altseins mit Gelassenheit, Freiheit und Zufriedenheit. Überraschenderweise sehen ältere Menschen ihre Lebensphase noch positiver als jüngere Generationen und schreiben ihr vermehrt positive Eigenschaften zu.

Zu den positiven Eigenschaften des Älterwerdens zählt auch, wie der Begriff Altsein wahrgenommen wird. Nur jede siebte Person ab 70 Jahren bezeichnet sich selbst als alt. Mit zunehmendem Lebensalter verschiebt sich die Grenze dessen, was als alt gilt, immer weiter nach oben. Viele ältere Menschen fühlen sich oft jünger, als sie tatsächlich sind. Das zeigt, wie stark das gefühlte Alter vom tatsächlichen abweichen kann.

Take it easy als Lebensmotto

Bemerkenswert ist, dass Gelassenheit als herausragendes Merkmal des Älterwerdens gesehen wird. Ältere Menschen scheinen mit den Jahren nicht nur Falten, sondern auch eine innere Ruhe und Weisheit zu gewinnen, die jüngere Generationen oft bewundern.

Interessant ist der Kontrast zwischen den Generationen: Während ältere Menschen das Älterwerden mit positiven Eigenschaften wie Freiheit und Zufriedenheit verbinden, neigen junge Menschen dazu, sich mehr auf mögliche Einsamkeit und äussere Veränderungen zu konzentrieren. Diese unterschiedlichen Perspektiven verdeutlichen, wie facettenreich unsere Vorstellungen vom Älterwerden sind und welche negativen Auswirkungen sie auf die individuelle Lebensgestaltung und gesellschaftliche Einstellungen haben können. Negative Altersbilder können dazu führen, dass die Individualität älterer Menschen nicht angemessen wahrgenommen wird, wodurch sich Ageismus verstärkt.

Gesundheit und Ängste

Trotz der vielen positiven Aspekte des Älterwerdens gibt es auch einige Bedenken in der Gesellschaft. Viele Menschen haben Ängste und Sorgen, die je nach Generation variieren. Jüngere Menschen machen sich oft Sorgen um Einsamkeit und den Verlust nahestehender Personen, während ältere Menschen eher die Angst vor Fremdbestimmung, eingeschränkter Bewegungsfreiheit, chronischen Schmerzen und dem Verlust geistiger Fähigkeiten, insbesondere vor Demenz und Alzheimer, plagt. Diese gesundheitlichen Probleme können das Leben stark beeinträchtigen und stehen der Freiheit entgegen, auf die sich viele im Alter freuen.

Wenig Angst vor dem Tod

Überraschend ist, dass ältere Menschen weniger Angst vor dem Tod haben, obwohl dieser näher rückt. Diese Gelassenheit könnte erklären, warum Ältere das Leben oft entspannter und positiver wahrnehmen. Für viele bedeutet das Älterwerden eine Entlastung von Verantwortung.

Junge Leute haben grössere Ängste vor gesundheitlichen Problemen

Interessanterweise sind jüngere Menschen tendenziell stärker von gesundheitlichen Ängsten betroffen als ältere. Dies könnte daran liegen, dass ältere Menschen bereits Erfahrungen mit gesundheitlichen Problemen gemacht haben und diese weniger abstrakt wahrnehmen. Trotzdem bleibt Demenz ein grosses Angstthema, vor allem bei den Jüngeren, was die tiefgreifende gesellschaftliche Wirkung dieser Krankheit zeigt.

Falten & Co verlieren ihren Schrecken

Im Gegensatz zu schwerwiegenden gesundheitlichen Ängsten sind Falten und weisse Haare für die meisten Menschen nur geringfügige Sorgen. Mehr Aufmerksamkeit erhalten Haarausfall und Gewichtszunahme, die tiefere gesundheitliche und soziale Bedeutung haben können.

Wandelnde Altersbilder und Rollen

Dank medizinischem Fortschritt, Demokratisierung der Lebensgestaltungsmöglichkeiten und einer sehr aktiven Generation von Jungsenior:innen hat sich das Bild des Alters gewandelt, meinen Alenka Bonnard, Co-Geschäftsführerin beim Staatslabor, sowie der Zukunftsforscher Stephan Sigrist vom Thinktank W.I.R.E.

Senior:innen sind heute oft gesunde, aktive Mitglieder der Gesellschaft, die ihre Pensionierung nicht als Ende, sondern als Beginn einer neuen Phase voller Möglichkeiten sehen. Sie haben im Durchschnitt zehn aktive Jahre mehr vor sich als frühere Generationen und nutzen diese Zeit, um sich zu engagieren, neue Rollen anzunehmen und die Gesellschaft mitzugestalten.

Eine neue Rolle im Alter

Das heutige Bild vom Alter ist also nicht mehr so stark von Verlangsamung und Abschiednehmen geprägt. Stattdessen sehen viele Senior:innen ihre dritte Lebensphase als eine Zeit, in der sie ihre Gesundheit, Kraft und Ressourcen nutzen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben und sich in neuen Rollen zu engagieren. Die Wirtschaft hat diese aktive Senior:innenengeneration als interessante Zielgruppe erkannt und richtet gezielte Angebote an sie.

Bedeutung des intergenerationellen Zusammenlebens

Die Bedeutung von Projekten des intergenerationellen Zusammenlebens wird von vielen Seiten betont. Es ist wichtig, dass das Bild des älter werdenden Menschen sichtbarer wird und das Engagement der Seniorinnen und Senioren in der unbezahlten Arbeit mehr Anerkennung findet. Menschen aus allen Generationen haben ein starkes Bedürfnis, Anschluss in neuen Kreisen zu finden, und dies sollte weiterverfolgt werden.

(SR)

 

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