Die Langzeitfolgen von COVID-19 betreffen Jung wie Alt, doch vor allem ältere Personen mit Vorerkrankung haben mit anhaltenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Aber es gibt Hoffnung: Mit einer individuell abgestimmten rehabilitativen Behandlung können Beschwerden gelindert und die Selbstständigkeit zurückgewonnen werden.
Die COVID-19-Pandemie hat viele Menschen betroffen – besonders unter älteren Erwachsenen war die Sterblichkeit hoch. Auch wenn viele von uns die akute Phase der Krankheit überstanden haben, stehen wir global vor den langfristigen Folgen einer Infektion mit dem Virus. Long-COVID, auch als Post-COVID-19-Syndrom bekannt, wird bei immer mehr Menschen diagnostiziert, die nach ihrer Genesung weiterhin unter gesundheitlichen Problemen leiden.
Was ist Long-COVID genau?
Long-COVID bezeichnet eine Vielzahl von Beschwerden, die über Wochen und Monate nach der akuten Infektion anhalten können. Während jüngere Menschen oft schneller wieder gesund werden, sind ältere Erwachsene häufig von anhaltenden Symptomen betroffen. Long-COVID kann sich auf viele verschiedene Weisen äussern, und nicht alle Symptome sind sofort offensichtlich. Neben den bereits genannten Beschwerden wie Müdigkeit und Atemnot gibt es eine Vielzahl von weiteren, häufigeren Symptomen:
Kognitive Probleme («Gehirnnebel»)
Viele Menschen berichten von Konzentrationsstörungen, Gedächtnisproblemen und einer allgemeinen geistigen Erschöpfung. Dies kann besonders belastend sein, da es die Fähigkeit, den Alltag zu organisieren oder zu arbeiten, beeinträchtigen kann.
Schlafstörungen (Insomnie)
Long-COVID kann zu Schlafproblemen führen, die durch die körperliche Erschöpfung und die psychische Belastung verstärkt werden. Chronische Schlafstörungen verschärfen wiederum viele andere Symptome wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen.
Schmerzen
Viele Betroffene klagen über anhaltende Gelenk- oder Muskelschmerzen, die zu einer eingeschränkten Mobilität und damit zu einer weiteren Belastung der Lebensqualität führen können.
Herz-Kreislauf-Probleme
Einige Menschen entwickeln nach einer COVID-19-Infektion Probleme wie Herzrhythmusstörungen oder einen erhöhten Blutdruck, was das Risiko für weitere kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht.
Atembeschwerden und Husten
Auch nach der akuten Phase können Atemprobleme anhalten, was den Alltag stark einschränken kann. Diese Symptome sind besonders besorgniserregend für ältere Erwachsene, da sie die Gefahr einer dauerhaften Einschränkung der Lungenfunktion mit sich bringen können.
Geruch- und Geschmacksverlust
Ein weiteres häufiges Symptom ist der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, der in vielen Fällen auch noch lange nach der Genesung bestehen bleibt und das Wohlbefinden beeinträchtigt.
Störungen des Verdauungssystems
Dazu gehören Übelkeit, Appetitlosigkeit und Verdauungsprobleme, die den Körper zusätzlich schwächen und die Genesung verlangsamen können.
Diese Symptome sind nicht nur unangenehm, sondern können auch zu einer fortschreitenden Verschlechterung der Lebensqualität führen. Sie machen es schwieriger, alltägliche Aufgaben zu bewältigen, und führen zu einer zunehmenden Isolation, da Betroffene ihre sozialen Aktivitäten möglicherweise einschränken müssen.
Inwieweit sind ältere Erwachsene gefährdeter?
Mit zunehmendem Alter nimmt die Funktion des Immunsystems ab, was es schwerer macht, gegen Infektionen anzukämpfen. Viele ältere Menschen haben auch unter Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden, die das Risiko für schwerwiegende COVID-19-Verläufe erhöhen. Nach der Genesung können diese bestehenden Gesundheitsprobleme durch Long COVID verstärkt werden.
Doch nicht nur gesundheitliche, sondern auch soziale und emotionale Folgen sind zu befürchten. Die anhaltende Müdigkeit und körperliche Einschränkungen können dazu führen, dass Betroffene ihre Selbstständigkeit verlieren und Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu bewältigen. Das ist gerade für alleinlebende Senior:innen ohne starkes soziales Netzwerk sowie ohnehin Pflegebedürftige besonders schwierig. In vielen Fällen verschlechtern sich bereits bestehende gesundheitliche Probleme wie Mobilitätsstörungen oder Gedächtnisprobleme, was die Lebensqualität weiter mindert.
Studie des Britischen Ärztemagazins
Laut einer Studie, die 2022 in einem britischen Ärztemagazin veröffentlicht wurde, entwickelten etwa 32 Prozent der Senior:innen, die sich 2020 mit COVID-19 infiziert hatten, in den ersten 120 Tagen nach ihrer Genesung eine neue Erkrankung. Diese Zahl lag deutlich höher als bei Senior:innen, die nicht mit dem Virus infiziert waren. Im Vergleich zu Senior:innen, die sich von anderen Atemwegserkrankungen wie einer Grippe erholt hatten, gab es nur geringe Unterschiede, jedoch erlebten COVID-19-Genesene häufiger Atemnot, Demenz und extreme Erschöpfung. Auch Gedächtnisstörungen, Nierenfunktionsstörungen und psychische Erkrankungen traten verstärkt auf. Besonders betroffen waren Senior:innen über 75 Jahre und diejenigen, die wegen ihrer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt wurden. Quelle: rme/aerzteblatt.de
Rehabilitation als Schlüssel zur Besserung
Die gute Nachricht ist, dass es Möglichkeiten gibt, die Auswirkungen von Long-COVID zu lindern.
Neben der medizinischen Versorgung während der akuten COVID-19-Erkrankung spielt die rehabilitative Behandlung eine entscheidende Rolle, um die Lebensqualität zu verbessern und die Selbstständigkeit wiederzuerlangen. Besonders wichtig ist es, nach einem Krankenhausaufenthalt eine passende Rehabilitationsmassnahme zu finden, um die Heilung zu unterstützen und langfristige Schäden zu vermeiden.
Bei vielen älteren Menschen, die an COVID-19 erkrankt sind, bestehen bereits Vorerkrankungen, die durch die Infektion noch verstärkt werden. Dies macht eine individuell angepasste, interdisziplinäre und interprofessionelle Behandlung besonders wichtig.
Rehabilitative Behandlungs- und Versorgungsoptionen
Die rehabilitativen Massnahmen sollten sich nicht nur auf körperliche Rehabilitationsmassnahmen konzentrieren, sondern auch auf die geistige und soziale Gesundheit. In vielen Fällen zeigt sich, dass insbesondere ältere Menschen nach einer schweren COVID-19-Erkrankung von einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (GFK) profitieren. Diese spezielle Rehabilitationsform berücksichtigt nicht nur die körperliche Erholung, sondern auch kognitive und psychische Aspekte, die für ältere Menschen besonders wichtig sind. Es wird empfohlen, schon während des Krankenhausaufenthaltes zu prüfen, ob eine solche Behandlung erforderlich ist.
- Stationäre Rehabilitationsbehandlung ist eine weitere wichtige Option. Untersuchungen aus Krankenkassendaten (z. B. AOK Baden-Württemberg) zeigen, dass nach einem Krankenhausaufenthalt nur etwa 10 Prozent der über 65-Jährigen eine stationäre Rehabilitationsbehandlung aufgrund von COVID-19 erhielten. Wenn dies jedoch der Fall war, profitierten die Patienten erheblich von der frühzeitigen und gezielten Rehabilitation. In vielen Fällen führt dies zu einer schnelleren Erholung und einer besseren Lebensqualität.
- Eine ambulante Rehabilitation ist ebenfalls eine wichtige Massnahme, insbesondere für Patienten, die ihre Selbstständigkeit bewahren können. Hierzu gehören geriatrische Tageskliniken oder mobile geriatrische Rehabilitationseinheiten, die gezielt auf die Bedürfnisse älterer Patienten ausgerichtet sind und eine kontinuierliche Begleitung während der Heilungsphase ermöglichen.
Gerade die Vielfalt der Symptome, die im Rahmen von Long-Covid auftreten können, macht eine kontinuierliche, individuell abgestimmte Betreuung durch ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal erforderlich. Um langfristige Folgeerkrankungen zu verhindern und die Selbstständigkeit zu fördern, ist es ratsam, sowohl neurologische, pulmologische, kardiologische als auch geriatrische Aspekte in der Rehabilitation zu berücksichtigen.
Zusätzlich zur klassischen Rehabilitation kann auch eine regelmässige physiotherapeutische und ergotherapeutische Behandlung helfen, körperliche Einschränkungen zu überwinden und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. Ebenso ist die psychologische Betreuung nicht zu unterschätzen, da viele Patienten nach einer COVID-19-Erkrankung mit Ängsten, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen kämpfen, die die Genesung erheblich verzögern können.
Durch die Kombination all dieser Massnahmen, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten, lässt sich die Lebensqualität im hohen Alter erheblich steigern, und eine stabile Verbesserung der Selbstständigkeit ist oft erreichbar.
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