Warum verliert das Essen im Alter oft seinen Reiz, und weshalb werden wir mit den Jahren immer wählerischer? In diesem Artikel beleuchten wir, welche Veränderungen dahinterstecken und wie sich diese auf unsere Lebensqualität und den Ernährungszustand auswirken können.
Ein Nachmittag unter Freund:innen: Frisch gebrühter Kaffee steht auf einem liebevoll gedeckten Tisch. Ihre Freundin Erna, schon weit über 80, hat Ihren Lieblingskuchen gebacken und Sie freuen sich schon sehnsüchtig auf seinen Genuss. Doch beim ersten Bissen wundern sie sich bereits: Wieso schmeckt der so extrem süss? Nach ein paar weiteren Bissen ist klar: Das Kuchenstück können Sie nicht aufessen, die Süsse sticht auf der Zunge wie Nadeln. Erna hingegen isst ihn gänzlich ungestört.
Für viele Menschen im Alter verändert sich der Geschmack der Speisen, die sie eigentlich jahrelang genossen haben. Plötzlich erscheint das Essen fade, die Aromen weniger intensiv – was dazu führ, dass der Genuss verloren geht. Aber warum ist das so?
So funktioniert Geschmack
Ihr Geschmackssinn ist weit mehr als nur ein Werkzeug, das Ihnen verrät, ob etwas süss oder salzig ist. Er ist wie ein persönlicher Beschützer, der Sie vor schlechten Entscheidungen bewahrt. Zum Beispiel warnt Sie der saure Geschmack vor unreifen Früchten oder verdorbenen Speisen, während Bitteres Sie daran erinnert, dass manche Dinge vielleicht ungeniessbar sind.
Doch Geschmack ist auch ein grosser Teil des Genusses: Er weckt Erinnerungen, beeinflusst Ihre Stimmung und kann sogar Ihre Gesundheit fördern.
Die Geschmäcker süss, sauer, salzig, bitter und umami werden über die Zunge wahrgenommen.
Ein kleiner Rundgang: Die fünf Geschmacksrichtungen
Fünf anerkannte Geschmacksrichtungen zählt die Wissenschaft aktuell, die von den Geschmacksknospen der Zunge wahrgenommen werden; darunter süss, sauer, salzig, bitter und umami – letzterer beschreibt einen herzhaften, fleischigen Geschmack, der seinen Ursprung in der japanischen Küche hat. Ausserdem vermuten Wissenschaftler:innen, dass unser Geschmackssinn noch mehr kann, wie etwa fettige oder metallische Noten wahrzunehmen.
Nase vs. Zunge: Warum Riechen und Schmecken unzertrennlich sind
Neben der Zunge spielt auch der Geruchssinn eine wichtige Rolle. Haben Sie schon einmal versucht, etwas zu schmecken, wenn Sie erkältet sind? Es funktioniert einfach nicht richtig. Riechen und Schmecken gehen Hand in Hand – nur wenn sie zusammenarbeiten, erleben Sie das volle Aroma einer Mahlzeit.
Veränderungen des Geschmacks im Alter
Besonders betroffen ist oft die Empfindung für salzige Geschmacksnoten. Studien haben gezeigt, dass ältere Menschen eine höhere Salzkonzentration benötigen, um es wirklich zu schmecken. Bei Männern ist dieser Effekt sogar noch ausgeprägter als bei Frauen.
Während viele ältere Menschen feststellen, dass salzige Speisen weniger intensiv schmecken, bleibt das Verlangen nach Süssem oft unverändert oder nimmt sogar zu. Das liegt daran, dass die Fähigkeit, süsse Geschmacksnoten wahrzunehmen, im Alter weniger stark abnimmt als bei anderen Geschmacksrichtungen. Süsse bleibt also eine Art «Trostpflaster» wenn andere Geschmäcker nachlassen.
Das Verlangen nach Süssem bleibt im Alter meist unverändert. Das liegt auch daran, dass die süssen Geschmacksknospen im Alter weniger stark abnehmen. Bei Salzigem ist das anders.
Die Spielverderber: Was Ihr Geschmackserlebnis trübt
Im Laufe der Jahre kann die Intensität der Geschmackswahrnehmung nachlassen. Das liegt vor allem daran, dass die Anzahl der Geschmacksknospen auf unserer Zunge abnimmt. Während ein Säugling etwa 10‘000 dieser kleinen Geschmackssensoren besitzt, sind es im Erwachsenenalter nur noch rund 5‘000. Im hohen Alter kann die Zahl sogar auf etwa 900 sinken. Das bedeutet, dass Ihr Geschmackssinn nicht mehr so fein ist wie früher.
Warum Speichel so wichtig ist
Ein weiterer Faktor, der das Geschmackserlebnis beeinträchtigen kann, ist die Speichelproduktion. Speichel spielt eine wichtige Rolle dabei, Geschmacksmoleküle zu lösen und sie zu den Geschmacksknospen zu transportieren. Wenn die Speichelproduktion im Alter nachlässt, wird das Schmecken schwieriger. Deshalb bevorzugen viele ältere Menschen weiche, cremige Speisen, die leicht zu kauen und zu schlucken sind.
Erkrankungen und Medikamente
Es gibt viele Faktoren, die Ihr Geschmackserlebnis beeinträchtigen können, und leider häufen sich diese im Alter. Ein echter Spielverderber sind bestimmte Erkrankungen. Infektionen wie eine einfache Erkältung oder eine schwerere Grippe, können den Geschmackssinn vorübergehend lahmlegen. Noch gravierender sind chronische Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer, die den Geschmackssinn dauerhaft schädigen können.
Medikamente spielen ebenfalls eine grosse Rolle. Über 200 verschiedene Arzneimittel können den Geschmackssinn beeinflussen – und das oft auf unerwartete Weise. Manchmal tritt der Geschmacksverlust direkt nach der Einnahme auf, manchmal erst Stunden oder sogar Tage später. Wer hätte gedacht, dass eine abendliche Pille am nächsten Morgen für einen metallischen Geschmack im Mund sorgen könnte? Besonders wenn Sie mehrere Medikamente einnehmen müssen, kann dies zu einem Problem für den Geschmack werden.
Durch das Älterwerden nehmen auch die Geschmacksknospen auf der Zunge ab, wodurch der Geschmackssinn weniger ausgeprägt wird. Medikamente, trockener Mund, schlechte Zahnpflege oder schlecht sitzende Zahnprothesen können ebenfalls einen Einfluss auf die Geschmackswahrnehmung haben.
Zähne, Prothesen und Co.
Aber nicht nur Erkrankungen und Medikamente können den Geschmack beeinträchtigen. Auch die Zahngesundheit darf nicht unterschätzt werden. Schlechte Zahnpflege, Zahnverlust oder schlecht sitzende Prothesen können das Geschmackserlebnis drastisch verschlechtern.
Nerven senden unzureichende Signale
Und dann gibt es noch die unsichtbaren Feinde: Die Nervenzellen, die für die Übertragung der Geschmackseindrücke zuständig sind, können mit dem Alter ihre Effizienz verlieren. Die Signale, die von den Geschmacksknospen ins Gehirn gesendet werden, kommen möglicherweise nicht mehr so klar und deutlich an. Das Ergebnis? Ein verwässertes Geschmackserlebnis, das oft enttäuscht.
Das Resultat von Geschmacksverlust: Appetitlosigkeit
Wenn das Essen fade und langweilig schmeckt macht essen auch keinen Spass mehr. Besonders ältere Menschen neigen dazu, das Essen und Trinken zu vernachlässigen, wenn der Geschmack nachlässt, was das Risiko einer Mangelernährung erhöht. Der Körper erhält nicht mehr alle nötigen Nährstoffe, weil wir bestimmte Lebensmittel nicht mehr in den Speiseplan integrieren. Müdigkeit, Schwäche und eine höhere Anfälligkeit für Infekte sind oft die unsichtbaren Folgen.
Tipps und Tricks für mehr Geschmack
Würzen statt Salzstreuer
Wenn das Essen fade schmeckt, ist der Griff zum Salzstreuer oft die erste Reaktion – doch das muss nicht sein. Stattdessen können Sie Ihre Gerichte mit frischen Kräutern und Gewürzen aufpeppen: Petersilie, Minze, Basilikum oder Dill – die Liste der Möglichkeiten ist lang. Kräuter und Gewürze bringen nicht nur Geschmack, sondern auch frische Aromen in die Küche und regen die Sinne an. Besonders empfehlenswert sind auch Würzgemüse wie Sellerie oder Petersilienwurzel. Und wer es gern süss mag, kann herzhafte Gerichte mit einem Hauch von Honig oder Obst aufpeppen.
Beim Trinken helfen
Ein Glas Wasser sollte bei jeder Mahlzeit griffbereit sein. Wenn möglich, vermeiden Sie die Verwendung von Schnabelbechern oder Trinkhalmen, da diese das Geschmackserlebnis beeinträchtigen können. Um die Speichelproduktion anzuregen, können Bonbons, Kaugummis, ein Spritzer Zitronensaft ins Wasser oder stark verdünnte Fruchtschorlen hilfreich sein. In manchen Fällen kann auch auf speichelanregende oder -ersetzende Mittel zurückgegriffen werden.
Konsistenz macht den Unterschied
Neben dem Geschmack spielt auch die Textur der Speisen eine wichtige Rolle. Zartschmelzende, cremige Gerichte sind oft besonders beliebt, da sie sich angenehm im Mund anfühlen. Probieren Sie verschiedene Konsistenzen aus, um herauszufinden, was am besten ankommt.
Wenn das Essen fade schmeckt ist es sinnvoll, das Essen mit Kräutern oder Gewürzen schmackhafter zu machen, anstatt zum Salzstreuer zu greifen. Des Weiteren kann es helfen, ein Glas Wasser zum Essen zu trinken um die Speichelproduktion anzuregen. Achten Sie auch auf eine gute Essatmosphäre..
Mundhygiene ist entscheidend
Gute Mundhygiene ist nicht nur wichtig für gesunde Zähne, sie kann auch den Geschmackssinn verbessern. Eine gründliche Reinigung der Zähne, des Zahnfleisches und der Zunge sorgt dafür, dass keine Beläge die Geschmacksrezeptoren blockieren. Auch das regelmässige Spülen mit einer Mundspüllösung und der Besuch beim Zahnarzt helfen, den Geschmack zu erhalten. Besonders, wenn Prothesen im Spiel sind, ist eine gute Pflege entscheidend, damit nichts den Genuss stört.
Atmosphäre zählt
Wer sagt, dass Essen nur durch Geschmack bestimmt wird? Die Atmosphäre spielt eine ebenso wichtige Rolle. Ein schön gedeckter Tisch, Kerzenlicht, leise Musik und nette Gesellschaft können das Essvergnügen erheblich steigern. Selbst wenn Sie allein essen, kann eine angenehme Umgebung Wunder wirken. Warum nicht mal eine neue Tischdeko ausprobieren oder das Essen am Fenster mit Blick in den Garten geniessen? Auch kleine Veränderungen können das Gefühl am Tisch positiv beeinflussen.
Für Pflegende und Angehörige: Essen als Genussmoment gestalten
Als Pflegende oder Angehörige können Sie viel dazu beitragen, dass das Essen für Senioren wieder zu einem schönen Erlebnis wird. Kochen Sie mit Liebe und achten Sie darauf, dass die Mahlzeiten abwechslungsreich und schmackhaft sind. Binden Sie die Senioren in die Essensvorbereitung mit ein, lassen Sie sie riechen, schmecken und vielleicht auch mal naschen. So wird nicht nur der Appetit angeregt, sondern auch die Freude am Essen. Ein kleines Gespräch beim Kochen oder ein gemeinsames Lachen können den Unterschied machen. Manchmal sind es die einfachen Dinge, die das Leben schön machen – und ein liebevoll zubereitetes Essen gehört definitiv dazu.
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